L-Funktionen

Modellansatz - Podcast autorstwa Gudrun Thäter, Sebastian Ritterbusch

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Eine alte Fragestellung lautet, was die Summe der Kehrwerte aller natürlicher Zahlen ist. Mit anderen Worten: existiert der Grenzwert der Harmonischen Reihe \sum_{n=1}^\infty\frac{1}{n}? Die Antwort, die man im ersten Semester kennenlernen ist: Diese Reihe ist divergiert, der Wert ist nicht endlich. Über die spannenden Entwicklungen in der Zahlentheorie, die sich daraus ergaben, berichtet Fabian Januszewski im Gespräch mit Gudrun Thäter. Eine verwandte Fragestellung zur harmonischen Reihe lautet: Wie steht es um den Wert von \sum_{n=1}^\infty\frac{1}{n^2}? Diese Frage wurde im 17. Jahrhundert aufgeworfen und man wußte, daß der Wert dieser Reihe endlich ist. Allerdings kannte man den exakten Wert nicht. Diese Frage war als das sogannte Basel-Problem bekannt. Eine ähnliche Reihe ist $\sum_{n=1}^\infty\frac{2}{n(n+1)}.$ Ihr Wert läßt sich elementar bestimmen: $\begin{array}{rcl}\displaystyle \sum_{n=1}^\infty\frac{2}{n(n+1)}&=&\displaystyle1+ \frac{1}{3} + \frac{1}{6}+ \frac{1}{10}+\cdots \\ &=&\displaystyle2\left(\frac{1}{2}+ \frac{1}{6} + \frac{1}{12}+ \frac{1}{20}+\cdots\right)\\ &=& \displaystyle2\left(\left(1-\frac{1}{2}}\right) + \left(\frac{1}{2}-\frac{1}{3}\right) + \left(\frac{1}{3}-\frac{1}{4}\right)+\cdots\right)=2\,.\end{array}$ Dies war lange bekannt, und das Basel-Problem war ungleich schwieriger: Es blieb fast einhundert Jahre lang ungelöst. Erst Leonhard Euler löste es 1741: $\sum_{n=1}^\infty\frac{1}{n^2}=\frac{\pi^2}{6}\,.$ Die Riemann'sche \zeta-Funktion Die Geschichte der L-Reihen beginnt bereits bei Leonhard Euler, welcher im 18. Jahrhundert im Kontext des Basel-Problems die Riemann'sche \zeta-Funktion' \displaystyle\zeta(s)=\sum_{n=1}^\infty n^{-s} entdeckte und zeigte, dass sie der Produktformel \displaystyle\zeta(s)=\prod_{p}\frac{1}{1-p^{-s}} genügt, wobei p die Menge der Primzahlen durchläuft und s>1 eine reelle Variable ist. Diese Tatsache ist äquivalent zum Fundamentalsatz der Arithmetik: jede natürliche Zahl besitzt eine eindeutige Primfaktorzerlegung. Eulers Lösung des Basel-Problems besagt, daß \zeta(2)=\frac{\pi^2}{6} und diese Formel läßt sich auf alle geraden positiven Argumente verallgemeinern: \zeta(2k)=(2\pi i)^{2k}\cdot\left(-\frac{B_{2k}}{2(2k)!}, wobei B_{2k}\in\mathbb Q^\times die 2k-te Bernoulli-Zahl bezeichnet. Im 19. Jahrhundert zeigte Bernhard Riemann, dass die a priori nur für {\rm Re}(s)>1,\;s\in{\mathbb C} konvergente Reihe \zeta(s) eine holomorphe Fortsetzung auf {\mathbb C}-\{1\} besitzt, einer Funktionalgleichung der Form s \mapsto 1-s genügt und einen einfachen Pol mit Residuum 1 bei s=1 aufweist. Letztere Aussage spiegelt die Tatsache wieder, dass in \mathbb Z jedes Ideal ein Hauptideal ist und \pm1 die einzigen multiplikativ invertierbaren Elemente sind. Weiterhin weiß \zeta(s) viel über die Verteilung von Primzahlen. Setzen wir $\displaystyle \Lambda(s):=\pi^{-s/2}\Gamma(\frac{s}{2})\zeta(s)\,,$ dann zeigte Riemann, daß die so definierte vervollständigte Riemann'sche \zeta-Funktion auf ganz \mathbb C-\{0,1\} holomorph ist und der Funktionalgleichung \Lambda(s)=\Lambda(1-s) genügt. Da die \Gamma-Funktion Pole bei nicht-positiven ganzzahligen Argumenten besitzt, ergibt sich hieraus die Existenz und Lage der sogenannten "trivialen Nullstellen" von \zeta(s): \zeta(-2k)=0 für k\geq 1. Konzeptionell sollte man sich den Faktor \pi^{-s/2}\Gamma(\frac{s}{2}) als Eulerfaktor bei \infty vorstellen. John Tate zeigte in seiner berühmten Dissertation, daß dies tatsächlich sinnvoll ist: Die endlichen Eulerfaktoren werden von Tate als Integrale über \mathbb Q_p^\times interpretiert, und der "unendliche" Eulerfaktor ist ebenfalls durch ein entsprechendes Integral über \mathbb R^\times gegeben. Er legte damit den Grundstein für weitreichende Verallgemeinerungen. Die Riemann'sche \zeta-Funktion ist der Prototyp einer L-Funktion, einem Begriff, der langsam Schritt für Schritt verallgemeinert wurde. (...)

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